von Robin Mitra
Im Grünen Zeitalter lag Glorantha noch in Frieden. Chalana Arroy lebte in einem kleinen Haus in der blühenden Wildnis. Sie war bereits berühmt für ihre Fähigkeit Wunden zu heilen, auch wenn sie damals noch nicht so viel tun hatte. Später, nachdem die Götterkriege begonnen hatten, war sie ständig unterwegs und rettete Göttern und Sterblichen das Leben. Doch im Grünen Zeitalter war die die Welt noch friedlicher. Viele Götter kamen damals zu ihr, um ihren Rat einzuholen, und viele Tiere lebten nahe ihres Hauses.
Eines Tages verflog sich eine Motte, die damals noch ausschließlich in der Unterwelt lebten. Durch Schicksal oder Glück kam sie dabei bis zur oberen Welt. Die Motte mochte diesen neuen Ort, und insbesondere mochte sie die Blumen und Pflanzen. Allerdings war die Sonne so hell und heiß, dass die kleine Motte sie nicht ertragen konnte. Deshalb flog sie in der Gegend herum auf der Suche nach einem schattigen Plätzchen. Schließlich kam sie an Chalana Arroys Hütte und versteckte sich dort unter dem Dach.
Bald darauf musste die Barmherzige auf ihren Dachboden gehen. Sie nahm eine Kerze und ging die Treppe nach oben. Doch, oh Weh! Welch ein Unglück! Noch bevor sie die Motte sehen konnte, kam die Heilerin der Motte mit der Kerze zu nahe und die Flügel fingen sofort Feuer und brannten lichterloh.
Die Weiße Dame war geschockt, als sie sah, was sie getan hatte. Sie, die in ihrem ganzen Leben noch nie ein Lebewesen verletzt hatte. Doch sie verzagte nicht, da sie wusste, sie könne alles heilen, was der Heilung bedurfte. Doch in diesem Falle war es nicht einfach, denn sie hatte die kleine Motte nie zuvor gesehen, und auch die Brüder und Schwestern der Motte waren der Großen Heilerin unbekannt. So wusste sie nicht, wie die Flügel ausgesehen hatten, bevor sie verbrannt waren. Doch sie wusste eines: wenn sie nicht so schnell wie möglich handelte, würde ihr Patient sterben.
So ging sie hinaus in ihren Garten und fragte ihre Blumen, ob sie ihr helfen würden die Motte zu retten. Die Blumen liebten die Weiße Dame und waren froh sie unterstützen zu können. So ließen sie einige ihrer schönsten Blütenblätter fallen. Chalana Arroy nahm sie auf und benutzte sie, um aus den Blüten neue Flügel für die Motte zu formen.
Die kleine Motte war sehr glücklich und flog sofort zu allen Blumen, die ihr geholfen hatten, um ihnen zu danken. Seit je her verbindet die Motte und die Blumen eine enge Freundschaft, und die Motte kann oft beobachtet werden, wie sie ihre Freunde besucht und sich auf ihren Blüten niederlässt.
Sehr viel später, lange nach diesem Ereignis, erhielt die kleine Motte den Namen Schmetterling, wegen ihrer Vorliebe für Butter und Sahne. Aber das ist eine andere Geschichte, die ein anderes Mal erzählt wird.
Auch mit Challana Arroy hat die Motte seither eine besondere Beziehung. Um sich für ihre Rettung erkenntlich zu zeigen, fliegt sie manchmal als Botin für die Weiße Dame. Wenn jemand in einer ausweglosen Situation ist und dringend die Hilfe der Barmherzigen benötigt, kann es ihm passieren, dass ihm ein Schmetterling begegnet. Wenn derjenige den Schmetterling fängt aber ihm kein Leid antut, sondern wieder frei lässt, dann fliegt der Schmetterling zu Chalana Arroy, um ihr davon zu berichten.
Schon bald bemerkte der Schmetterling gewisse Veränderungen. Die Sonnenstrahlen konnten ihr nichts mehr anhaben. Im Gegenteil fühlte sich die Wärme wohl an und es bereitet ihr viel Freude in der Sonne zu liegen und die Flügel auszubreiten. Später jedoch, als die Große Finsternis über die Welt hereinbrach, konnte der Schmetterling plötzlich die Flügel nicht mehr öffnen. Fast wäre sie in der Finsternis umgekommen, wenn die Barmherzige ihr nicht wieder beigestanden hätte. Seit dem Anbeginn der Zeit, seitdem sich nun täglich Licht und Dunkelheit abwechseln, macht der Schmetterling es genauso wie seine Freunde die Blumen. Solange die Sonne scheint, kann der Schmetterling die Flügel spreizen und fliegen, doch wenn die Dunkelheit hereinbricht, faltet der Schmetterling seine Flügel zusammen und legt sich schlafen.
Mit der Großen Finsternis fanden aber auch noch andere Motten ihren Weg in die obere Welt. Die neu angekommenen Motten und ihre bereits heimisch gewordenen Verwandten erkannten sich gegenseitig. Manche der Motten wollten ihren bunten und schönen Geschwistern sogar nacheifern. Selbst heutzutage ist dies noch so. Wenn die Motten irgendwo ein Feuer sehen, fliegen sie direkt hinein, in der Hoffnung von der Weißen Dame gerettet und mit neuen Flügeln ausgestattet zu werden. Doch seit die Götter den Großen Kompromiss besiegelten, um Tag und Nacht einzuführen und damit die ganze Welt zu retten, ist es Chalana Arroy unmöglich direkt in das Geschehen der Welt einzugreifen. Und so fliegen die jungen Motten jedes Mal in den eignen Tod.
Hinweise
- Robin Mitra © 2019 Humakt e.V.
- Bild: Spottedfins
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